Würzburg. „Was wir an den Schulen machen, ist eine permanente Mängelverwaltung“, meint Gerhard Bleß, „es fehlt vor allem an Personal“. Der Vorsitzende des Unterfränkischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (ULLV), Bezirksverband des BLLV, sieht mit großer Sorge, dass der Schulalltag die Lehrkräfte immer häufiger bis an die Grenze der Belastbarkeit und darüber hinaus fordere.
Integration, Inklusion, Ganztag seien Herausforderungen, die ohne zusätzliches Personal nicht bewältigt werden können. Auch die fortschreitende Digitalisierung an Schulen binde immer mehr Kräfte. Um einer heterogenen Schülerschaft mit individueller Förderung gerecht zu werden, brauche es mehr Lehrerinnen und Lehrer. „Gesichert ist aber nur die Grundversorgung“, so Bleß.
Gerade die heterogene Zusammensetzung von Klassen belaste die Lehrkräfte dauerhaft. „In unseren Klassenzimmern sitzen Schülerinnen und Schüler mit Teilleistungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, Behinderungen und Migrationshintergrund. Eine Klassenlehrerin, ein Klassenlehrer allein kann das nicht schaffen“, so Bleß in einem Pressegespräch. Lehrertandems, also zwei Lehrkräfte in einer Klasse, und multiprofessionelle Teams aus Schulpsychologen, Sonderpädagogen, Schulsozialarbeitern und Erziehern wären hilf-reich, würden aber bis dato vermisst.
Bleß’ Stellvertreter Helmut Schmid prognostiziert für die Wintermonate wieder massive Unterrichtsausfälle. „Wenn die ersten Grippewellen kommen, werden die Kolleginnen und Kollegen durch Vertretungen und Doppelführungen massiv belastet“. Fängt die Mobile Reserve die Ausfälle nicht auf? Schmid hegt da Zweifel. Die Mobile Reserve ist nach seiner Ansicht vielerorts unzureichend ausgestattet.
Dass die Lehrerversorgung auch zu Beginn dieses Schuljahres wieder knapp bemessen ist, zeige auch die große Zahl an Quereinsteigern, Aushilfen und Zweitqualifikanten mit befristeten Arbeitsverträgen. Einerseits seien diese ein Segen, sonst bliebe manche Klasse ohne Lehrerin oder Lehrer, so Bleß. Andererseits sorgt sich der ULLV-Vorsitzende um die Qualität schulischer Bildung. Quereinsteiger und Aushilfen ließen häufig die nötige pädagogische und didaktische Ausbildung vermissen. Die sogenannten Zweitqualifikanten werden nach abgeschlossener Ausbildung für Realschulen oder Gymnasien ab dem ersten Schultag bei voller Unterrichtsverpflichtung an Grund-, Mittel- und Förder-schulen eingesetzt und sollen sich quasi nebenbei für die Besonderheiten der neuen Schulart qualifizieren.
Bleß betonte, dass diese Vorgehensweise nicht dazu geeignet sei, den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler umfassend gerecht zu werden. Seiner Erfahrung nach sind es vor allem erfahrene Grund-, Mittel- und Förderschul-Lehrkräfte, die – zusätzlich zu ihren eigentlichen Aufgaben – die jungen Kolleginnen und Kollegen am Einsatzort einarbeiten müssen.